Im November 2021 erschien bei KSM Anime der Cyberpunk-Film »Steamboy« des »Akira«-Schöpfers Katsuhiro Ôtomo. Wir haben uns den Film auf Blu-ray genauer angesehen. Ob uns die Geschichte rund um die Wissenschaft und Ethik überzeugen konnte, erfahrt ihr in unserer Review.
Wissenschaft und Ethik
In einem alternativen England des späten 19. Jahrhunderts bekommt der außergewöhnlich begabte junge Erfinder Ray Steam von seinem Großvater Lloyd eine geheimnisvolle Metallkugel, die eine völlig neue Energieform gespeichert hat. Mit der Kraft dieses »Steamballs« kann theoretisch eine ganze Nation mit Energie versorgt werden. Doch die Wunderkugel wird zum Objekt der Begierde.
Auf der einen Seite steht die Waffenfirma O’Hara, für die Rays Vater Edward arbeitet und die von der arroganten jungen Scarlett geleitet wird. Auf der anderen Seite steht der britische Ingenieur Robert Stephenson, dem Ray die Kugel aushändigen soll. Die Fäden laufen in der ersten Weltausstellung in London zusammen und Ray muss sich entscheiden, wem er vertrauen kann.
In Japan feierte »Steamboy« seine Premiere am 17. Juli 2004. Hierzulande wurde der Anime im Dezember 2004 auf dem Cinasia Filmfestival in Köln präsentiert. Am 7. Juni 2005 wurde der Streifen von Sony erstmals mit deutscher Sprachfassung auf DVD veröffentlicht. KSM Anime spendiert dem Film seinen ersten Blu-ray-Release in Deutschland.
Angenehme deutsche Vertonung
Die deutsche Vertonung von »Steamboy« hinterlässt einen angenehmen Eindruck. Für die deutsche Fassung war die Scalamedia GmbH (»Weathering With You«, »Maquia«) in München verantwortlich. Die Regie und das Buch übernahm dabei Peter Woratz (»Robotic Angel«).
Dem 13-jährigen Protagonisten James Ray Steam haucht Tim Schwarzmaier Leben ein. Schwarzmaier kennt man unter anderem als Subaru Natsuki in »Re:ZERO«. Stimmlich finde ich Schwarzmaier, in Anbetracht des Aufnahmedatums, passend besetzt. Der Synchronschauspieler liefert den ganzen Film über eine überzeugende Leistung.
Thomas Fritsch lieh seine Stimme bislang nur einer Handvoll von Anime-Figuren. Die Abwechslung, eine »ungewohnte« Stimme zu hören, ist ansprechend. Fritsch als Dr. Lloyd Steam passt wie die Faust aufs Auge. Der Idealismus und die Ignoranz des Charakters werden hervorragend transportiert.
In der Rolle von Rays Vater Dr. Edward Steam ist Christian Tramitz zu vernehmen. Wie sein Kollege Fritsch, lieh auch Tramitz bisher wenigen Anime-Figuren seine Stimme. Seine letzte Rolle war in »Inuyashiki Last Hero« als die Hauptfigur Ichiro Inuyashiki. Auch hier passt die Besetzung ideal. Die »ungewohnte« Stimme auf dem erschütterten Erfinder passt wie angegossen.
Zu guter Letzt ist da noch Scarlett O’Hara, die im Laufe des Films auf Ray trifft. In der deutschen Fassung wurde Gabrielle Pietermann auf diese Figur besetzt. O’Hara ist eine egoistische, verwöhnte und launische Gesellin. Ein Reifeprozess des Charakters kommt im Laufe des Films zwar zum Vorschein, ändert nicht die Tatsache, dass die Figur überflüssig ist. Immerhin punktet hier Pietermann und bringt die negativen Merkmale vortrefflich herüber.
Die deutsche Umsetzung von »Steamboy« befindet sich für mein Empfinden auf einer hohen Qualität. Der Cast passt und liefert ein stimmiges Ergebnis im Zusammenspiel. In deutscher Sprachfassung lässt sich der Anime-Film sehr gut ansehen. Neben der deutschen und japanischen Vertonung gibt es noch die englische Sprachfassung (+ Untertitel) auf den Discs.
Die hohen Ansprüche sind erkennbar
Die Anime-Umsetzung von »Steamboy« entstand unter der Regie von »Akira«-Schöpfer Katsuhiro Ôtomo im Studio Sunrise (»Code Geass«). Shinji Kimura steuerte dabei das Design für die Charaktere bei. Bei KSM Anime erscheint der Film auf Blu-ray im Format 1.85:1 mit einer Auflösung von 1080p. Der Ton wird als DTS-HD MA 5.1 geboten.
Ôtomo arbeitete fast zehn Jahre an der Produktion von »Steamboy«. Über 180.000 Einzelzeichnungen und 400 computergenerierte Szenen wurden angefertigt. Das Projekt des »Akira«-Schöpfers war mit Produktionskosten von 22 Millionen Dollar zu seiner Zeit der teuerste und aufwendigste Anime-Film.
Das visuelle Ergebnis des Steampunk-Streifens kann sich definitiv sehen lassen. Durch die Blu-ray-Veröffentlichung kommt das Bild deutlich klarer herüber. Getestet wurde die Blu-ray-Fassung auf einem 4K-Fernseher. Die Farbpalette ist zwar dunkel gehalten, doch stellt dies kein Problem für die scharfe Darstellung dar. Aus meiner Sicht kann der Film auch mit heutigen Werken optisch mithalten.
Die hohen Ansprüche von Ôtomo bei der Umsetzung von »Steamboy« springen dem Zuschauer direkt ins Auge. Die dampfgetriebenen Maschinen wurden detailliert ausgearbeitet. Das wird bereits auf dem ersten Blick deutlich. Auch die Animationen sind hierbei konstant flüssig. Der Film überzeugt mit seinem Detailreichtum und lässt das Geschehene deutlich lebendiger spüren.
Der Einsatz von CGI ist bemerkbar, doch nicht wirklich störend. Insbesondere im letzten Part der Geschichte sorgt dies für außergewöhnliche Momente, die Ôtomo gekonnt darstellt. Es ist bemerkbar, dass bei der Produktion keine Kosten und Mühen gescheut wurden, um das Ergebnis zu liefern, welches einem selbst vorschwebt.
KSM Anime spendiert der Neuausgabe von »Steamboy« eine hochwertige Collector’s Edition. Bei der Verpackung handelt es sich um eine veredelte DIN A5-Box. Die limitierte Ausgabe, die den Director’s Cut des Films auf DVD und erstmals auch auf Blu-ray beinhaltet, beherbergt zudem noch die Kinofassung auf DVD. Neben der schicken Box dürfen sich Fans auf zahlreiche Extras freuen.
Als Extra gibt es ein Kinoplakat (DIN A4) sowie ein Booklet mit Informationen rund um den Film als auch zwei kurze auf deutsch übersetzte Manga-Geschichten. Weiteres Bonusmaterial sind unter anderem ein Interview mit Katsuhiro Ôtomo, Einblicke in die Animations-Entwicklung, eine Multi-Screen Landschaftsstudie, Making Of und vieles mehr. Die UVP beträgt 39,99 Euro.
Tolle Unterhaltung für einen Filmabend
Nach dem vielfach ausgezeichneten Cyberpunk-Film »Akira« experimentiert Katsuhiro Ôtomo mit »Steamboy«. Der Schöpfer scheut keine Kosten und Mühen und dies kommt problemlos herüber. In diesem Steampunk-Streifen spricht Ôtomo den Fortschritt der Wissenschaft an und bringt dabei die Ethik-Frage ins Spiel.
Als Hauptfigur fungiert der 13-jährige James Ray Steam, dessen Vater und Großvater beide Erfinder sind und in dessen Fußstapfen er eines Tages treten möchte. Nach einer kurzen Einführung in die Welt der dampfgetriebenen Maschinen wird zügig eine gewisse Action und Dramatik ins Spiel gebracht. Verschiedene Ansichten im Bereich der Wissenschaft kollidieren und bringen den Stein ins Rollen.
Wofür der »Steamball« steht, ist sicherlich unverkennbar. Die Gefahren und Möglichkeiten werden des Öfteren thematisiert und anschaulich dargestellt. Der Idealismus als auch die Leidenschaft zur Forschung und Entwicklung kommen bei allen Figuren, die sich schwerpunktmäßig damit beschäftigen, optimal herüber.
Die Meinungsverschiedenheit zwischen Lloyd Steam und Edward Steam und die daraus resultierende Gefahr sowie der Einfluss auf den jungen Ray sorgen für eine anregende Unterhaltung. Die Gespräche und (festgefahrenen) Ansichten der einzelnen Figuren sind interessant. Die Hauptfigur Ray ist zwar nur Mittel zum Zweck und bleibt bis zum Ende hin blass, doch dafür stechen die Nebenfiguren umso stärker heraus.
Negativ hingegen sticht der Charakter Scarlett O’Hara hervor. Welche Rolle diese unsympathische Figur in dem Film erfüllen soll, erschließt sich mir persönlich nicht wirklich. Die Szenen mit ihr stellen eine Geduldsprobe dar. Die Ausrichtung auf die Waffen und den Krieg, den sie hier und da vorzeigt, hätte auch problemlos ohne sie funktioniert.
»Steamboy« zeigt auf, dass die Wissenschaft ein Ausdruck der ultimativen Macht der Menschheit darstellen kann. In falschen Händen sind die Auswirkungen verheerend, die besonders im letzten Part des Filmes mit der fliegenden Kriegsmaschine ersichtlich sind. Die Geschichte ist zwar zeitweilig ein bisschen zäh und langgezogen, dennoch überwiegt der Unterhaltungsfaktor.
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