Wird J-Pop immer mehr zum Synonym für »Anime-Musik«?

In einem Interview äußerte Takuya Chigira, CEO der Agentur Cloud Nine, bei der auch die populäre Sängerin Ado unter Vertrag steht, seine Bedenken darüber, dass J-Pop weltweit immer mehr als »Anime-Musik« angesehen wird. Wir fassen zusammen.

Abhängigkeit von Anime

Egal ob »Idol« von YOASOBI (»Oshi no Ko«), »Bling-Bang-Bang-Born« von den Creepy Nuts (»Mashle«) oder »KICK BACK« von Kenshi Yonezu (»Chainsaw Man«) – die letzten Jahre haben mehr als eindrucksvoll gezeigt, dass die Theme-Songs einer Anime-Serie sehr schnell mit Millionen von Aufrufen viral gehen können.

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Letztgenannter Song wurde von der Recording Industry Association of America (RIAA) gar als erster japanischsprachiger Titel mit Gold ausgezeichnet.

Allerdings würde die starke Abhängigkeit von Anime laut Takuya Chigira ein Risiko für japanische Musik auf dem globalen Markt darstellen. Das Medium sei zwar außerhalb Japans erfolgreicher als J-Pop, wäre im Unterhaltungssektor aber dennoch ein Nischenprodukt und deshalb in seiner Reichweite stark eingeschränkt.

Man wisse zwar um die Vorteile von Anime für japanische Musik, doch die Obergrenze des möglichen Erfolgs sei im Vergleich zur Größe des internationalen Musikmarktes einfach viel zu niedrig. Mit dem geläufigen Bild »japanische Musik = Anime« könne man langfristig keine großen Fortschritte in Übersee machen.

Erfolg in Japan

Gemessen am Umsatz ist der japanische Musikmarkt nach den Vereinigten Staaten der zweitgrößte der Welt. Dies ist jedoch fast ausschließlich auf den Inlandsmarkt und nicht auf den Import oder Export von Musik zurückzuführen.

Musik war schon immer ein wichtiger Bestandteil der japanischen Kultur und ist sogar in das Bildungssystem integriert, das von jedem Schüler verlangt, dass er während seiner Schulzeit ein Instrument spielt oder singt.

Kein Wunder also, dass über 80 % der in Japan vertriebenen Musik auch im Inland produziert wird – und rein gar nichts mit Anime zu tun hat.

Vielmehr beruht der Erfolg darauf, dass die Menschen in Japan selbst Musik machen, Musik mögen und in jeder Bar und jedem Restaurant Musik im Hintergrund zu hören ist – ganz zu schweigen von der großen Zahl der auftretenden Künstler.

Hoffnungen ruhen auf Ado

Jedoch spiegele sich diese musikalische Dominanz laut Chigira außerhalb des Landes nicht wider. Während einst »Asian Pop« noch mit »J-Pop« gleichzusetzen gewesen sei, herrsche heutzutage »K-Pop« (Korean Pop) in Asien und auch darüber hinaus.

Deswegen setze er große Hoffnungen auf Ado, dass sie dem J-Pop, der bislang keine eigene Identität auf der globalen Bühne gehabt hätte, zu ganz neuem Glanz verhelfe. Schließlich sei der Hype um die junge japanische Sängerin in den letzten Jahren und vor allem nach ihrer Welttournee im Jahre 2024 ins Unermessliche gestiegen. Allerdings wäre der Gipfel noch lange nicht erreicht:

»Wenn ich mir die aktuelle japanische Musikszene anschaue, denke ich, dass Ado die einzige Solokünstlerin ist, die auf der globalen Bühne konkurrieren und innerhalb der nächsten drei oder vier Jahre ihren Höhepunkt erreichen kann. Ich glaube, dass sie die einzige japanische Künstlerin ist, die den Grammy-Hauptpreis gewinnen könnte.«

Das Jahr 2025 wird zeigen, ob Ado mit ihrer Hibana-Welttournee das große Potenzial von J-Pop auf der globalen Bühne demonstrieren und ihn als Konkurrenz zu K-Pop und anderen aufstrebenden Genres positionieren kann.

Doch was haltet ihr von J-Pop? Habt ihr nur durch Anime Berührungspunkte damit oder hört ihr auch abseits davon manchmal rein? Lasst es uns wissen!

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Via Real Sound
© 2025 Ado; Universal Music Group

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flomba

Seltsames Statement.
Ich kenne JPop praktisch nur durch Anime, und bin sehr dankbar dafür. Dadurch habe ich großartige Solisten und Bands kennengelernt, von denen ich auf anderen Wegen nie was mitbekommen hätte. Für JPop ohne Anime sollten die Leutchen vielleicht über die Sprachbarriere nachdenken, den Japanisch ist keineswegs eine Weltsprache. Andererseits brauche ich persönlich aber auch keinen JPop auf Englisch.

Seit geraumer Zeit spielen übrigens auch japanische Bands bei Konzerten in unseren Gefilden auf. Das sind aber dennoch genauso Nischen, wie Anime eine Nische in der Unterhaltungsbranche ist.

Jetzt die Verbindung von JPop und Anime negieren zu wollen, damit JPop international mehr Erfolg hat, ich weiß nicht. Klingt nach Absägen des Astes auf dem man sitzt.

AsIFall

Für JPop ohne Anime sollten die Leutchen vielleicht über die Sprachbarriere nachdenken, den Japanisch ist keineswegs eine Weltsprache.

Den Satz halte ich für eher weniger das Problem, denn K-Pop wird ja auch in koreanischer Sprache gesungen und nicht in englischer Sprache. Dennoch ist der K-Pop weltweit sehr erfolgreich.
Vielmehr liegt es, meiner Meinung nach daran, dass die japanische Musikindustrie jahrzehntelang nur für den heimischen Markt zugänglich war und es nicht für nötig gehalten hat, sich einem internationalen Publikum zu öffnen – abseits von Anime-Musik.

Legdrasil

Sehe ich genauso. Sprsche ist in der Musik prinzipiell eher weniger das Problem. Och bezweifle sogar dass die Mehrheit der Hörer beim erstmaligen hören eines Songs so deutlich auf einen Text achten dass sie ihn wirklich verstehen, egal ob Muttersprache, Englisch oder sonst was. I h sehr wirklich eher das Problem darin dass der Zugang gerade auch zu Tonträgern für japanische Musik, hier nach wie vor schwierig ist. CDs sind meist nur in wenigen Fachgeschäften als Importware erhältlich und der im Westeb mittlerweile wieder dominierende Vinylmarkt wird gar nicht beachtet… dazu die teils fragwürdigen Entscheidungen mancher Labels, die wenn eine Band außerhalb Japans veröffentlichen, immernoch regionale Unterschiede macht und dann teilweise Leadsingles weglässt… ist halt einfach Schade. Wenn ich mir eine CD teuer importieren muss, überlege ich mir einen Kauf zweimal.

Andersrum hat K-Pop das Rad nicht neu erfunden. Das ist eigentlich (wie bei J-Pop eigentlich auch), nichts anderes wie das Castingsystem für die ganzen Gruppen à la US5 und Backstreet Boys was es hier schon gab, nur neu aufgelegt und perfektioniert und die Show bis ins unendliche gesteigert. Dabei gleichzeitig auf das ausländische Interesse reagiert und in den Markt auch physisch gedrungen und holy, bei uns im Laden läuft der Kram echt gut. Japan hat das einfach verpennt und hechelt dem jetzt hinterher.

Der japanische Musikmarkt strotzt im Grunde genommen vor allem auch von handwerklich verdammt gut gemachter Musik. Egal was man jetzt von Leuten wie Ado, LiSA, Babymetal und Konsorten halten mag, aber auf rein professioneller Ebene hebt sich das ganze schon massiv ab. Sehe das Problem im Westen halt in der Vermarktung und der Tatsache dass man im Markt auf Grund der werden Politik kaum präsent ist.

AsIFall

Tatsächlich habe ich Dank Anime viele japanischsprachige Musiker_innen und Bands kennengelernt und ich denke, dass es den meisten von uns so gehen oder gegangen sein dürfte. Direkt danach folgen – zumindest bei mir – Musikvorschläge auf YouTube und früher auf Facebook.

Die Abhängigkeit der japanischen Populärmusik zur Anime-Industrie ist für mich beides, problematisch aber auch eine Chance. Problematisch deshalb, und da stimme ich Herrn Chigira zu, weil japanische Musik zu sehr mit dem Medium Anime in Verbindung gebracht wird und teilweise vom Erfolg der Anime-
Produktion abhängig ist. Aber das kann zumindest auch eine Chance sein, die Musik einem internationalen Publikum bekannter zu machen. Ein Problem, welches ich festgestellt habe ist, dass Singleveröffentlichungen, die nicht mit Anime in Verbindung stehen, international keine Beachtung erfahren.

Ein weiteres Problem ist, dass die japanische Musikindustrie erst in den letzten Jahren im Begriff ist, den Markt für internationale Zuhörer zu öffnen. Im Mai 2025 sollen mit den MUSIC AWARDS JAPAN ein Musikpreis vergeben werden, der sowohl heimische als auch asiatische und internationale (also über Asien hinaus) erfolgreiche Lieder, Alben und Künstler_innen auszeichnen und auf internationaler Ebene bekannter machen soll. Die japanischen Musikcharts sind nach wie vor darauf ausgelegt, nur Tonträgerverkäufe auszuwerten und digitale Medien (Musikdownloads, Streaming) auszuklammern, obwohl in Japan viele Künstler auf die Produktion physischer Singleveröffentlichungen verzichten und ein internationales Publikum erreichen wollen. Dass die heimische Musikwirtschaft das über Jahre hinweg ignoriert und nicht gefördert hat, kommt jetzt auf sie zurück. Es gibt zwar inzwischen Oricon-Charts, die neben physischen Verkäufen, auch Musikdownloads und Musikstreamings einbeziehen, aber die offiziellen Oricon-Album- und Singlecharts werten nach wie vor nur Tonträgerverkäufe aus.
Die Frage, warum K-Pop weltweit so erfolgreich ist, obwohl es auf viele Elemente des japanischen Pop (wie etwa dem Scouting- und Trainee-System) zurückgreift, stelle ich mir gar nicht mehr. Die südkoreanische Musikindustrie hat es geschafft, den K-Pop international populär zu machen, während der japanische Musikmarkt sich bis heute der Welt überwiegend verschlossen hielt und nur auf heimische Zuhörer fokussiert hat.
Ich muss noch anfügen, dass die MAJ auch ins Leben gerufen wurden, weil der heimische Musikmarkt im Wandel ist und sich in der Transformationsphase befindet. Zudem kommt hinzu, dass der japanische Musikmarkt aufgrund einer immer älter werdenden Gesellschaft und der niedrigen Geburtenrate schrumpft. Dies sagten zumindest Tatsuya Nomura, Vorsitzender der Federation of Music Producers Japan, und Shunsuke Muramatsu, Präsident der Recording Industry Association of Japan. Beide sind Vorsitzende der 2024 gegründeten Organisation CEIPA (Japan Culture and Entertainment Industry Promotion Association), die die Music Awards Japan organisieren wird. Die CEIPA wurde von den fünf großen Organisationen der japanischen Musikwirtschaft gegründet, die das Ziel verfolgt, japanische Musiker_innen und Bands auf internationaler Ebene zu präsentieren. Weitere Gründungsorganisationen sind die Japan Association of Music Enterprises, die Music Publishers Association of Japan und die All Japan Concert & Live Entertainment Promoters Conference.

Der Musikpreis wird am 21. und 22. Mai 2025 verliehen und weltweit auf YouTube im Livestream gezeigt werden. In der Woche der Preisverleihung finden im Rahmen der MAJ Music Week Konzerte, Seminare und Konferenezen statt. Ob es etwas bringt, die japanische Musik für eine weltweite Zuhörerschaft zu öffnen, muss sich noch zeigen. Ein erstes Showcase findet am 16. März 2025 im Peacock Theater in Los Angeles, Kalifornien statt, auf dem Sängerin Ado, die Idol-Gruppe Atarashii Gakko! und das J-Pop-Duo Yoasobi auftreten werden.

Quellen:
web.archive.org
musicman.co.jp
japantoday.com
barks.jp

Ich

Dass der Agentur-Chef denkt, dass die bei ihm unter Vertrag stehende Sängerin den Durchbruch schafft, ist ja jetzt nicht unbedingt verwunderlich denke ich mal.

Was jetzt diese J-Pop=Anime-Musik angeht … Na ja, ich denke, dass das für viele – wenn nicht sogar die meisten – ein erster Berührungspunkt ist. Und das erzeugt dann diese Assoziation. Wenn man das aber als eigenständig betrachtet sehen will, muss es sich da rausentwickeln, klar. Dafür muss man es dann eben auch auf andere Weise dem Publikum zuführen. Mit der Anime-Schiene kann man das ja trotzdem machen. Aber man wird sich dann bemühen müssen, dass auf anderen Wegen, die Aufmerksamkeit erzeugen, rüberbringen kann.

Ein Weg kann da natürlich auch Musik für Realfilme und -Serien sein. Das sind dann zwar auch Filme und Serien, aber eben nicht Anime. Das ist dann eine andere Ebene.

RyuichiKato

Es werden bereits für diverse Serien, Filme und Videospielen Musik produziert. Das Problem ist, dass solche produzierte japanische Serien und Filme noch weniger das internationale Publikum erreichen als Anime.

Für z.b. US-Produktionen wird, denke ich eher auf den heimischen Markt und etablierte (bereits große) Namen zurückgegriffen.

Es braucht also bei J-Pop erstmal einen Durchbruch, bevor das passieren kann, ob dies nun durch einen Anime oder einem viralen Hit wie bei K-Pop mit Gangnam Style geschehen ist. Zumindest war es damals das erste Mal, dass ich gesehen hab, dass ein K-Pop so durch die Decke ging und international richtig Aufmerksamkeit erregte.

Die Band One Ok Rock hat / versucht ja ebenfalls im internationalen Bereich durchzustarten, sie haben ja unter anderem angefangen mehr englische Texte in Ihre Songs miteinzubauen (oder gar komplett Englisch sind). Mit Anime haben Sie bisher allerdings wenig am Hut, bis auf den Captain Harlock CGI Movie (Be the Light ED) oder beim neuen Beyblade X das Opening Theme. Manche kritisieren aber auch, dass Ihre neue Ausrichtung zu sehr in richtig westlichen Pop(-Rock) geht statt J-Rock wie früher.

Auf jeden Fall bleibt es abzuwarten, denke, wenn sich die Lieder weiter so ein Erfolg werden bzw. an Popularität gewinnen, spielt es irgendwann keine Rolle, ob sie durch Anime groß wurden oder nicht, das ist zumindest meine Vermutung.

Semmelknödel

K-Pop oder J-Pop? Bitte stimmt jetzt ab, was ihr besser findet!

AsIFall

Ich persönlich bevorzuge J-Pop. Allerdings gibt es auch K-Pop-Gruppen, die ich akzeptabel finde. Persönlich kann ich K-Pop weniger anfangen.