Im Anschluss an den Oscar-Sieg von »Der Junge und der Reiher« beleuchtete Toshio Suzuki, Produzent bei Studio Ghibli, die unkonventionelle Marketingstrategie des Films. Wir fassen zusammen.
Wunsch des Regisseurs
Eigentlich wollte man für Studio Ghiblis jüngstem Meisterwerk »Der Junge und der Reiher« einfach nur auf sämtliche Marketingbemühungen verzichten, jedoch entpuppte sich dieses Vorgehen an sich als eine überaus effektive Marketingstrategie. Allerdings hätte man das laut Suzuki in keiner Weise vorhergesehen und lediglich dem Wunsch von Regisseur Hayao Miyazaki entsprochen.
Denn zum damaligen Zeitpunkt hätte Hayao Miyazaki angekündigt, dass es sich um seinen letzten Film handeln würde und er aus diesem Grund gerne eine stille Veröffentlichung ohne viel Aufsehen hätte. Dieser Wunsch hätte innerhalb des Studios große Bedenken hervorgerufen, allerdings wäre Suzuki bei der Unterstützung für seinen langjährigen Freund standhaft geblieben.
Die letztendliche Entscheidung wäre für viele Beteiligte ein Ärgernis gewesen und Suzuki hatte sich mit der Möglichkeit abgefunden, dass der Film wegen mangelnder Werbung keinen Erfolg haben könnte. Selbst Miyazaki hatte zwischenzeitlich Bedenken zum fehlenden Marketing. Rückblickend lässt sich nun jedoch zweifelsfrei sagen, dass sämtliche Sorgen unbegründet waren.
Schließlich feierte der Film eine Reihe von Erfolgen und Auszeichnungen, die vor wenigen Tagen bei der Vergabe der 96. Academy Awards ihren Höhepunkt fanden. Darüber hinaus war »Der Junge und der Reiher« der erste Animationsfilm, der das 48. Toronto International Film Festival eröffnete und auch der erste Film aus dem Hause Ghibli, der gleichzeitig im IMAX-Format veröffentlicht wurde.
Damit könnte sich wohl auch zukünftig eine »No Marketing«-Marketingstrategie entwickelt haben, die wir vielleicht noch bei dem ein oder anderen Ghibli-Film sehen werden. Denn mittlerweile hat auch Hayao Miyazaki seinen Ruhestand erneut widerrufen und arbeitet bereits an einem neuen Film.
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Via Oricon
© Studio Ghibli
Die Namen Ghibli und Miyazaki ziehen auch. Das muss man schon sagen. In dem Moment, wo das kam, wollte ich das auch sehen, obwohl ich keinen Fetzen gesehen hatte.
Aber eine Sache muss man dazu auch sagen: das funktioniert sicherlich nicht bei jedem Titel. Da ist Ghibli schon ein Stück weit eine Ausnahme. Und dazu kam ja noch der ‚Miyazaki kommt auf dem Ruhestand für den Film‘-Effekt da.
Der Film hat das Einspielergebnis in Japan vom bereits damals schwach laufenden »Wie der Wind sich hebt« nochmal halbiert (von 120 Mio. auf knappe 60 Mio.). Also funktioniert hat das jetzt wirklich nicht. Alleine der internationale Markt hat das Ergebnis noch gerettet (nebenbei bemerkt dürfte der Film in DE sogar zum erfolgreichste Ghibli geworden sein) und die haben nicht auf Marketing verzichtet.
Man muss jedoch auch die Marketingkosten entgegen rechnen. Was bringt es, wenn man umgerechnet 50 Mio. USD an Marketing ausgibt für 60 Mio. USD mehr Umsatz, der dann noch mit dem Filmverleih und den Kinobetreibern aufgeteilt wird?
Denn genau dies ist in Hollywood-Produktionen das Problem:
Da kostet ein Film z.B. 150 Mio. USD in der Produktion und das Marketing kostet dann nochmals 150 Mio. USD, also total Kosten an 300 Mio. USD.
Von den Kinotickets kriegt das Studio dann etwa die Hälfte (die andere wie gesagt der Vetrieb/Verleih und die Kinos). Damit müsste der Film also 600 Mio. USD an den Kinos bringen, um die Kosten zu decken und oft gibt es da nur 500 Mio. USD und damit ein Verlustgeschäft.
Natürlich gibt es noch Geld über die Einnahmen auf Streaming-Plattformen, TV und Home-Video. Jedoch ist eigentlich doch das Ziel, dass man die Kosten bereits durch die Kinoverwertung deckt (und mehr).
Ich denke auch nicht, dass man gleich eine Null-Markeing-Strategie führen sollte wie in diesem Fall.
Trotzdem denke ich, dass man beim Marketing ein wenig auf die Bremse gehen müsste (also auch in Hollywood). So wie in Japan sehr viele Kinofans sicherlich wussten, dass ein neuer Ghibli-Film in die Kinos kam, wissen sicherlich auch viele in den USA/in Europa, dass ein neuer Nolan-Film ins Kino kommt (und mit einem eher kleinen Marketing-Budget kriegt man noch genug weitere).
Wir bauchen hier die astronomischen Marketingkosten aus Hollywood (die ja eh für den weltweiten Markt gelten) jetzt auch nicht mit einem japanischen Marketingbudget vergleichen, dort wird das nur einen Bruchteil ausmachen. Wenn man aber so viel Geld locker machen kann, um den teuersten Ghibli-Film zu produzieren, dann sollte und muss man noch genügend Geld für Marketing übrig haben. Denn wenn der Film tatsächlich über 50 Mio. gekostet hat, weil 50 Mio. hat der bisher teuerste gekostet, dann muss der Film alleine 100 Mio. einnehmen, um keine roten Zahlen zu schreiben. Da hätte ein Marketingbudget von 10-20 Mio. den Kohl auch nicht mehr fett gemacht. Bei so einer summe darauf zu spekulieren, dass genügend Fans von alleine ins Kino gehen, ist absurd riskant, besonders weil sich die Sehgewohnheiten/Erwartungen geändert haben und die Kinos voll mit Franchise-Filmen sind. Man hat ja nicht einmal die kostenlose Werbung/Mundpropaganda über Social-Media richtig genutzt, weil man fast kein Bildmaterial oder sonstiges veröffentlicht hat.
Ich denke Ghibli wird diese Strategie in Zukunft nicht noch einmal wiederholen, auch weil Nippon TV solche Spielchen eh nicht mit machen wird.
Klingt eher wie Schönrederei, denn anhand des doch sehr dürftigen japanischen Einspielergebnisses, würde ich nun wirklich nicht zu dem Schluss kommen, dass die Strategie funktioniert hat. Wäre der internationale Markt nicht gewesen, wäre der Film sogar hart gefloppt. Wir reden hier immer noch über den teuersten Ghibli Film, dementsprechend musste auch das Einspielergebnis sein.
Ich gehe mal davon aus, dass bei Ghibli genau wie bei allen anderen auch, am Ende das Weltweite Einspielergebnis zählt. Und »unangekündigt« war der Film ja auch in Japan nicht. Ein halbes Jahr lang: »Wir bringen einen neuen Film, machen aber keine Werbung für (sondern hängen nur ein paar Plakate auf)« sehe ich eher als Marketing-Gag.
Bisher war aber kein anderer Miyazaki-Film international so erfolgreich wie dieser hier, das war also eine nicht unbedingt absehbare Ausnahme. Sich also auf die weltweiten Ergebnisse zu verlassen, wäre sogar ein noch größeres Spiel mit dem Feuer gewesen als die »No Marketing«-Strategie.
Für den westlichen Markt gab es einen Trailer, insofern hat die »No Marketing«-Strategie hier keine Rolle gespielt.
Beim vorletzten Film hat er das auch schon gesagt
Miyazaki ist einer der übelsten Workaholics die ich kenne. Ich mag ja seine Filme, aber das mit dem Ruhrstand kauft man ihm einfach nicht mehr ab. Ich wünsche es ihm ja nicht, aber irgendwann gibt er den Löffel ab mit seinem Zeichnungsstift in der Hand.
Ich hoffe er findet in seinem hohen Alter noch irgendeine andere schöne Beschäftigung als nur arbeiten, arbeiten und nochmals arbeiten.