Animatorin nennt Lösungsansätze für Branchenprobleme

Im Rahmen eines Interviews führte die erfahrene Animatorin Terumi Nishii die derzeitigen Probleme der Anime-Industrie aus – mit Blick auf die Zukunft. Wir fassen nachfolgend zusammen.

Stiftung soll Verbesserungen bringen

Die 46-jährige Terumi Nishii ist bereits seit über zwei Jahrzehnten als Animatorin in der Anime-Branche aktiv und war an Werken wie »InuYasha«, »Kimi ni Todoke«, »Tengen Toppa Gurren Lagann«, »JoJo’s Bizarre Adventure« und »Death Note« beteiligt. Zuletzt übernahm sie die Rolle als Chief Animation Director bei der ersten Staffel von »Jujutsu Kaisen« sowie deren Prequel-Film »Jujutsu Kaisen 0«.

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In dem Interview mit Anime News Network sprach sie unter anderem über die »Nippon Anime Film Culture Association« (NAFCA), die im letzten Jahr gegründet wurde und seitdem die Probleme der Anime-Industrie zu bekämpfen versucht. Die NAFCA besteht aus Menschen der gesamten Branche, darunter Animatoren, Synchronsprecher, Führungskräfte und Produzenten.

Auch wenn sie selbst kein Mitglied der NAFCA ist, arbeitet Nishii eng mit der Organisation zusammen und hat beispielsweise die Umfrage zu Gehältern und Arbeitsbedingungen von Animatoren erstellt, über deren schockierende Ergebnisse wir vor einigen Wochen berichtet haben.

Eindruck eines Sklaven

Neue Animatoren hätten Probleme, sich überhaupt Essen leisten zu können. Ferner wären Deadlines meist nicht realisierbar, weswegen sie quasi nie nach Hause gehen könnten und viele Überstunden machen müssten – die außerdem auch nicht oder nur sehr schlecht bezahlt werden würden. Statt eines Vollzeitbeschäftigten würden die Umstände eher den Eindruck eines Sklaven vermitteln.

Doch diese Probleme würden laut Nishii gar nicht böswillig herbeigeführt werden, sondern vielmehr fest verankert sein. Denn seit 20 oder 30 Jahren würden es die Menschen nicht anders kennen und damit einfach weitermachen. Erst in den letzten Jahren fand ein Umdenken statt und die Öffentlichkeit hat angefangen, die seltsame Struktur der Branche zu hinterfragen.

Aus diesem Grund würde sie die NAFCA und ihre Lösungsversuche auch nachdrücklich unterstützen. Beispielsweise wären die geforderten Gewerkschaften unabdingbar, da man als Gruppe verhandeln müsse. Während einige Anime-Studios wie Toei Animation eine interne Gewerkschaft für Mitarbeiter auf die Beine gestellt haben, gibt es für Freiberufler, dem Großteil der Animatoren, so etwas nicht.

Ein Einzelner könne vielleicht für sich selbst etwas bewirken, aber das ändere nichts an der Situation einer anderen Person, insbesondere der zunächst benachteiligten Neuankömmlinge der Branche.

Talentförderung hat höchste Priorität

Ein großes Projekt, für das sich die NAFCA derzeit einsetze, sei die Erstellung eines »Skill-Tests«. Aktuell stünde die Anime-Industrie vor einem Mangel qualifizierter Arbeitskräfte. Dies hätte in der jüngeren Vergangenheit dazu geführt, dass erfahrene Animatoren die Arbeit von Neulingen zusätzlich zu ihrer eigenen Arbeit hätten ausbessern oder gar wiederholen müssen.

Dies wiederum sorge für zusätzlichen Zeitaufwand und Kosten für das Studio. Eine Produktion, welche auf drei Jahre ausgelegt ist, würde so laut Nishii sehr schnell fünf Jahre andauern, was andere laufende Projekte beeinflusse. Die Kapazitäten der Produktionsunternehmen würden an ihre Grenzen stoßen.

In Berufsschulen würden nur allgemeine Aspekte der Animation, nicht jedoch spezielle Fähigkeiten, gelehrt werden. Nur weil jemand einen Abschluss macht, heiße das nicht, dass er auch ein Animator auf professioneller Ebene werden könne. Durch den zuvor erwähnten standardisierten Test soll der Lehrplan an den Schulen und gleichzeitig die Qualität der Absolventen verbessert werden.

Nishii gehe davon aus, dass sich die Budgets für Anime-Produktionen zukünftig deutlich erhöhen werden. Allerdings würde das allein keine Besserung bringen, denn das erhaltene Geld reflektiere nicht die Qualität der Arbeit. Schließlich nehme die Anzahl der Amateur-Animatoren immer mehr zu und ohne professionelle Förderung wäre es auch egal, wie viel Gehalt man ihnen zahle.

Deswegen müsse insbesondere in die Ausbildung und Talententwicklung investiert werden, ansonsten würde man schon bald die Vormachtstellung bei der Anime-Produktion verlieren.

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Via ANN
© 2020 Shirobako Project; © Gege Akutami/Shueisha. JUJUTSU KAISEN Project

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Kommentare

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7 Kommentare und Antworten zu "Animatorin nennt Lösungsansätze für Branchenprobleme"

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Ich
Gast
Ich

Ja … man kann nur hoffen, dass diese NAFCA-Organisation es endlich mal schafft, dass sich was ändert. Es ist aber wirklich traurig, dass man das nicht schön längst in der Fläche angegangen ist. Klar ist: so kann es nicht weitergehen. Bedauerlicherweise wird es aber wohl erstmal so weitergehen. Von heut auf morgen wird sich nichts ändern. ABER man muss endlich mal anfangen – und das besser heute wie morgen – und es dann auch konsequent durchziehen!

DesPudelsKern
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DesPudelsKern

Am einfachsten wäre es erstmal Serien nicht mehr auf Zeit zu produzieren. Zudem sollte man vielleicht mal die vierteljährlichen Blöcke überdenken. Heißt also erst produzieren und dann ausstrahlen wenn fertig. Und dabei sollte es egal sein ob es Mai, Juni oder August ist.

ak0703
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ak0703

Erst produzieren und dann ausstrahlen, wird wohl kaum möglich sein. Die Studios leben von den Einnahmen und ein Fernsehsender wird nicht auf Pump eine Serie finanzieren, die nicht mal in der Postproduction ist. Eine Vorfinanzierung durch die Studios ist wohl kaum möglich.

Guts
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Guts

Überall auf der Welt funktioniert es auch, warum sollte es plötzlich in Japan nicht gehen? Gibt sogar Anime, die genau so produziert wurden. Außerdem muss das Studio nicht komplett vorfinanzieren, die bekommen ihr Geld in Etappen vom Sender/Auftraggeber, also schon während er Produktion.

DesPudelsKern
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DesPudelsKern

Tja und genau wegen solchen Einstellungen wird es nicht gemacht. Jede RL Serie wird vorproduziert und die Kosten um einiges mehr als ein anime mit 12 folgen. Und klar muss erstmal ein umdenken bei den Japanern passieren. Vielleicht würde es dadurch mehr Serien mit mehr Qualität geben als 40 Stück pro season wovon 30 teils schrecklich aussehen.

Naja man muss halt gewillt sein dies mal umzusetzen. Und zwar alle gleichzeitig und nicht 2 oder 3 Studios.

xertdiv
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xertdiv

Mehr Personal das besser bezahlt und weniger ausgebeutet wird. So schwierig ist das nicht.. Geht halt nur gegen jede Ideologie und Entwicklung der letzten 30 Jahre, dass Arbeit eigentlich nix wert ist und man dankbar sein soll sich totbuckeln zu dürfen, während es als selbstverständlich angesehen wird, dass Kapital ohne jede Leistung noch mehr Kapital abwirft.

Marcus Cyron
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Marcus Cyron

Weniger ist mehr. Es gibt derzeit einfach viel zu viel, insbesondere Serien. Darunter extrem viel Mittelmaß und Schlechteres. Gerade die Filme, in die mehr Zeit, Energie und Geld gesteckt wird haben gezeigt, dass dann auch ganz andere Dinge rauskommen und sich das zumeist auch finanziell rentiert. Beginnt beim Drehbuch, geht über Animation und Synchro und endet bei Effekten und Musik. Davon haben am Ende alle etwas.