Auch wenn es mit »Chainsaw Man« jüngst eine Ausnahme gab, so werden bei der Produktion neuer Anime grundsätzlich sogenannte Produktionskomitees aufgestellt. Wir beleuchten das Thema.
Zusammenstellung eines Komitees
Wer unsere Artikelreihe zur Entstehung eines Anime gelesen hat, der weiß ja schon ungefähr worum es geht und wie die Entstehungsphase eines Anime abläuft. In der Anime-Industrie war es in den letzten Jahrzehnten üblich, dass irgendjemand eine Idee zu einem Anime-Projekt hatte, sich ein Produktionskomitee bildete und dieses ein Anime-Studio mit der Produktion beauftragte.
Das Produktionskomitee kann sich dabei aus den verschiedensten Interessenten des Anime-Projekts zusammensetzen. Grundsätzlich sind es aber Firmen, die sich mit dem Thema »Anime« beschäftigen, wie etwa Spielzeughersteller, Manga-Verlage, Video-Vertriebe oder TV-Sender. Bekannte Vertreter sind beispielsweise Bandai, Aniplex, Production I.G, TOHO, KADOKAWA und Shueisha.
Wer sich noch genauer mit dem Thema beschäftigen möchte, der kann seine Lieblingsanime auf den bekannten Anime-Datenbanken MyAnimeList und AniList oder auch in diesem Google-Spreadsheet heraussuchen und in den dortigen Informationen die aufgeführten Produktionsfirmen nachlesen.
Viele Studios schreiben rote Zahlen
Grundsätzlich hat sich das System der Produktionskomitees aufgrund der hohen Kosten und Risiken in der Anime-Produktion etabliert, die bis heute währen. Da aufgrund zahlloser Verschiebungen und anderer Probleme während der COVID-19-Pandemie in dieser Zeit keine wirklich aussagekräftigen Zahlen vorliegen, ziehen wir die aus dem Jahre 2020 heran.
Denn im Jahre 2020 waren die Produktionen bereits lange abgeschlossen und es fehlte nur noch die Ausstrahlung der jeweiligen Anime. Natürlich gab es den ein oder anderen Titel, der von der Pandemie betroffen war, allerdings ist das im Vergleich zu den Folgejahren eher zu vernachlässigen.
Laut den Daten der Teikoku Datenbank schrieben 37,7 % der Studios 2020 rote Zahlen. Weitere 29,5 % klagten über sinkende Gewinne, während lediglich 31,1 % steigende Gewinne verzeichnen konnten. Bei Letzteren handelt es sich natürlich um die großen Studios, die auch mit großen Titeln arbeiten können. Das lässt allerdings die Schere zwischen den Studios immer weiter wachsen.
Komitee gibt Studio finanzielle Sicherheit
In der Regel war es lange Zeit so, dass nur jeder zehnte Anime Gewinn einfährt. Bei durchschnittlichen Kosten von etwa 50.000 bis 250.000 Euro pro Episode eines Anime summiert sich das selbst bei zwölf Episoden schnell auf einen hohen sechsstelligen oder sogar siebenstelligen Betrag.
Es dürfte klar sein, dass keine Firma bestehen kann, wenn sie fortlaufend rote Zahlen schreibt. Und genau hier kommen die Produktionskomitees ins Spiel. Denn die verschiedenen interessierten Firmen investieren in das Anime-Projekt und teilen sich die hohen Produktionskosten. Anschließend beauftragen sie ein Anime-Studio mit der Produktion.
Das Anime-Studio selbst ist meist kein Teil des Produktionskomitees, denn diese kämpfen bekanntlich finanziell meist selbst ums Überleben und nehmen aufgrund der genannten und befürchteten roten Zahlen oft Abstand von einer Investition. Im Umkehrschluss werden sie allerdings auch im Falle eines unerwarteten Hits mit keinem Cent am Profit beteiligt.
Bei großen Titeln, die auf eine bereits erfolgreiche Originalvorlage zurückblicken können, investiert das Anime-Studio oft und ist damit Teil des Produktionskomitees. Solche großen Titel sind begrenzt und dann auch den großen Studios vorenthalten, wie etwa ufotable im Falle von »Demon Slayer« oder MAPPA bei »Jujutsu Kaisen«. Stichwort, die Kluft wird immer größer.
Studios mit Situation zufrieden
Das System der Produktionskomitees mag auf den ersten Blick ausbeuterisch oder unfair wirken, aber für die Anime-Studios ist es äußerst beruhigend, wenn sie keine roten Zahlen fürchten müssen. Man kann sich einfach nur auf seine Arbeit konzentrieren. Wenn man Verantwortliche oder Angestellte der Studios befragt, so ist die Mehrheit mit der aktuellen Situation absolut zufrieden.
Und falls die berechtigte Frage aufkommen sollte, wie sich denn dann die Produktionskomitees die ständigen roten Zahlen der Anime leisten können, so wollen wir diese auch beantworten. Deswegen investieren Firmen, die sich mit dem Thema »Anime« befassen.
Wenn Spielzeughersteller Bandai investiert, so darf er gleichzeitig Spielzeug oder Figuren herstellen. Investiert der Manga-Verlag Shueisha in einen Anime, dessen Produktion ansonsten vielleicht nicht möglich wäre, könnte das ein Verkaufs-Boost für den gleichnamigen Manga sein. Investierende TV-Sender dürfen den Anime ausstrahlen und verdienen über Werbung und Zuschauerzahlen.
Der Erfolg eines Anime richtete sich lange Zeit nur nach Disc-Verkäufen. All das drumherum wie der Verkauf von Merchandise, Originalvorlagen oder Werbeeinnahmen fällt selten überhaupt oder wenn dann nur geringfügig auf den Umsatz des Anime an sich zurück.
Neue Chance durch VoD-Anbieter
Die Betonung liegt auf lange Zeit, denn mit der zunehmenden Popularität von VoD-Anbietern hat ein neues Schwergewicht seinen Hut in den Ring geworfen, was für die Anime-Industrie nur Vorteile hat.
Zuvor war man auf begrenzte Sendeplätze angewiesen, was die Ausstrahlung nicht selten sogar um mehrere Seasons hinauszögerte. Hinzu kommt, dass man für den Sendeplatz bezahlen musste. Denn die TV-Sender wussten natürlich, dass die Anime einen Sendeplatz brauchten und früher oder später auf sie zukommen würden, was sie sich entsprechend entlohnen ließen.
Und während TV-Sender deswegen früher nur in große Titel investierten, mussten unbedeutendere Anime schauen, wo sie bleiben und für ihren Sendeplatz bezahlen. Doch jetzt ist der Wettbewerb größer geworden, denn die steigende Zahl der VoD-Anbieter ist ein Segen für die Anime-Industrie.
Denn wie wir jede Season aufs neue sehen, kaufen die bekannten VoD-Anbieter die Rechte an allem, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Egal ob totaler Quatsch oder halbwegs vertretbar. Das soll keine Kritik sein, denn das ermöglicht auch den kleineren Studios gute Bedingungen, da die Streaming-Dienste einen großen Teil der Produktionskosten abdecken.
Auch für die VoD-Anbieter lohnt es sich, denn sie können mit vielen Simulcasts und einem großen Anime-Katalog werben, also ein Win-Win für alle Beteiligten. Und es kann auch beobachtet werden, dass in den letzten Jahren viele TV-Sender aus der Deckung gelockt wurden und öfter in Titel investieren, die vor 10 Jahren noch undenkbar gewesen wären. Ein zusätzlicher Vorteil.
Zuletzt freut es natürlich auch uns Fans, denn euch ist sicherlich auch schon aufgefallen, dass die Zahl der Anime-Ankündigungen in den letzten Monaten und Jahren durch die Decke gingen. Sogar Sequels von Anime, die wir uns gar nicht mehr erträumt hatten, wurden angekündigt. Alles dank der finanziellen Sicherheit, welche die VoD-Anbieter den Produktionskomitees und Studios geben.
Positive Entwicklungen möglich
Der Aufstieg der Streaming-Dienste kann also als Segen für die Anime-Industrie gesehen werden und es ergeben sich auch ganz neue Möglichkeiten, wie uns MAPPA erst vor Kurzem bewiesen hat. Denn mit »Chainsaw Man« sorgten sie für einen sehr seltenen Paukenschlag, als sie den Anime eigens und ohne ein Produktionskomitee im Rücken produzierten.
Das kommt nur äußerst selten vor, dass ein Studio alleine einen Anime finanziert und produziert. Und natürlich lässt sich argumentieren, dass »Chainsaw Man« ein Titel mit Erfolgsgarantie war. Dennoch, ohne die globale Reichweite der Streaming-Dienste hätte sich auch ein erfolgreiches Studio wie MAPPA sicherlich nicht an die alleinige Produktion gewagt.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Anime-Industrie weiterentwickelt. Es ist denkbar, dass sich zukünftig häufiger Anime-Studios ohne ein Produktionskomitee an ein Projekt wagen. Wünschenswert wäre jedoch auch, wenn sich die Komitees dadurch unter Druck gesetzt fühlen und das Budget für die Studios erhöhen, um den Angestellten endlich bessere Arbeitsbedingungen zu ermöglichen.
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Via Area Dot
©劇場版「SHIROBAKO」製作委員会
Ich bin einfach gestrickt ich sehe Bilder von Shirobako und klicke drauf. Die Bilder sind aber auch perfekt in Szene gesetzt.
Der Artikel selbst ist aber auch sehr interessant und lesenswert finde ich.
Selbstverständlich war / ist der auch sehr lesenswert und interessant.
Krass! Toller Artikel und die Artikeln »Enstehung eines Animes« (5Teile), die ich jetzt erst gelesen habe. Nun verstehe ich wie es zum Anime kommt und insbesondere die Kosten.
Dass ein Produktionskomitee die Planung macht und erstmal ins Minus geht, wusste ich nicht; ich dachte die Studios alleine. Und dabei werden die Studios, die den Anime dann erstellen, vom Komitee bezahlt. Damit bleiben Studios in der Regel erhalten und das Komitee hat und bekommt das (viele) Geld.
Aber eines muss sich ändern: Die Bezahlung der Mitarbeiter (Animateure, Zeichner, Synchro, etc.)!
Wenn das Komitee die Taschen voll machen und deutlich im Plus gehen, sollten die Mitarbeiter auch etwas abhaben; zusätzlich zur abgemachte Zahlung an die Studios. Man könnte es im Arbeitsvertrag mit den Studios vereinbaren. Aber dafür müssen die Mitarbeiter zB. eine Gewerkschaft gründen. Ob das in Japan möglich ist wie in Deutschland!? Oder das Komitee macht es von sich aus. Oder die Studios verlangen es vom Komitee (was es aber schwieriger macht, denn so bekommt das Studio den Auftrag dann nicht und somit kein Geld).
…ich hoffe, mein Text ist lesbar. Normalerweise schreibe ich nicht so viel. (Deutsche Sprache, schwere Sprache.😜) ^^
Danke fürs lesen ✌️😁👍
Ein Problem dabei ist auch, dass die Leute meist freie Mitarbeiter sind, die nur projektbezogen (und damit unsicher) beschäftigt werden.
Der beste Artikel zu dem Thema (und drumherum), den ich in deutscher Sprache dazu gelesen habe.
Ein toller Artikel ergänzend zu der angesprochenen 5-teiligen Artikelreihe!
Die Kommitee’s könnte man also als Fluch und Segen zugleich ansehen. Sie reduzieren auf der einen Seite das finanzielle Risiko, aber auf der anderen Seite wird bei großen Erfolgen nicht der Profit weitergegeben. Das Studio bekommt als Auftragnehmer Summe X und das war es.
Ich fände es wünschenswert, wenn sich die finanzielle Situation in Zukunft ändert und die Studios mehr profitieren könnten. Und das führt dann hoffentlich auch endlich dazu, dass sich die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen für die Angestellten verbessern. Denn ohne diese Leute würden ja gar nicht erst die Serien und Filme entstehen, die so erfolgreich sind.
Eine gute Idee dafür wäre ja nach dem Betrag X prozentual den Gewinn unter Komitee und Studio auf zuteilen…
heißt das Studio bekommt definitiv die Summe X und alles was darüber erwirtschaftet wird kann man ja auf 70% Komitee / 30% Studio teilen. So würde das Komitee noch große Zahlen schreiben aber das Studio würde dabei nicht komplett untergehen.
Gibt aber bereits Studios, die überdurchschnittlich profitieren, von besonders guten Arbeitsbedingungen ist da aber dennoch nicht zu hören. Viele Studios werden sich das Geld also sehr wahrscheinlich selbst einstecken und nicht an die Angestellten weitergeben.
Das ist natürlich ein weiteres Problem in der Kette. Wenn ein Studio durch höhere Einnahmen profitiert, sollte es das auch an die Angestellten weitergeben.
»Wünschenswert wäre jedoch auch, wenn sich die Komitees dadurch unter Druck gesetzt fühlen und das Budget für die Studios erhöhen, um den Angestellten endlich bessere Arbeitsbedingungen zu ermöglichen.«
wäre wirklich wünschenswert.
ich finde auch super das immer mehr netflix,crunchy und co nutzten auch wenn da da immer wieder sachen dabei sind die einem nicht gefallen, aber das bleibt halt nicht aus wenn man viele titel anbieten will.
Ach Netflix plant schon die schöne neue Welt in der KIs Anime produzieren.. Nur wird eine KI wohl nie ein Netflixabo abschließen.. Pech gehabt und zu wenig Marx gelesen…
Tausche Netlfix gegen Anime-Industrie. Denn Netflix Japan war nur so dämlich, das an die große Glocke zu hängen, viele andere Studios werden KIs sicher schon länger verwenden aber es schön verheimlichen. Auf der anderen Seite scheinen ausgerechnet Anime-Fans solche KIs nicht sonderlich schlimm zu finden, Hauptsache die können Anime im Überfluss konsumieren…
@ Guts Tausche Netflix gegen jeden Bonzen.. Ob es Roboter sind oder KI macht keinen echten Unterschied (Marx nannte es eben Produktionsmittel).. Am Ende bleibt: Die Produktion pro Kopf steigt enorm (siehe WTF happend 1971) bei gleichzeitig weniger Reallohn und immer mehr Gewinn… Das geht nicht ewig gut.
Wenns nach den Bonzen geht sitzen in dem Komitee bald ChatGP und google Bard und unterhalten sich darüber was eigentlich Urheberrecht ist und was mit einer Konsumgesellschaft passiert, in der wegen immer mehr Produktion pro Kopf bei immer weniger Lohn dank Maschinen und Digitalisierung, wenn immer weniger Leute genug Geld haben um zu konsumieren?
@Anime2you:
Eventuell als Ergänzung: Gibt ein sehr interessantes Interview mit Produzent Toshio Okada, das die Problematik mit dem Komitee nochmal aus einer anderen Perspektive beleuchtet und warum sich das Budget der Anime trotz mehr Investitionen aus dem Ausland nicht erhöht sondern sogar absichtlich gedeckelt wird: youtube.com