In »Teil 4: Kosten bis zur Ausstrahlung« haben wir nun einen Überblick der ungefähren Kosten eines Anime erhalten. Über die Einnahmen geht es nun in unserem letzten »Teil 5: Refinanzierung«.
- Teil 1: Idee und Planung
- Teil 2: Konzept und Animation
- Teil 3: Feinschliff und Vertonung
- Teil 4: Kosten bis zur Ausstrahlung
- Teil 5: Refinanzierung
Produktionskomitees als Sicherheit
Der Anime ist nun komplett fertiggestellt und die Ausstrahlung hat auch bereits begonnen. Doch nun stehen Produktionskomitee beziehungsweise Produktionsstudio erst einmal tief in den roten Zahlen. Doch kaum ein Konzern auf der Welt produziert etwas, was keinen Gewinn abwirft. Wie also generieren Anime nun ihre Einnahmen und sind diese überhaupt lohnenswert?
Grundsätzlich war es in der Vergangenheit so, dass durchschnittlich jeder dritte Anime die eigenen Produktionskosten nicht wieder einspielen konnte und somit unterm Strich Verlust machte. Das war jedoch zu einer Zeit, in der Disc-Sales hauptausschlaggebend für den Profit eines Anime waren. Diese Situation hat sich mittlerweile durch das Streaming jedoch etwas gebessert.
Aufgrund dessen wurde es auch zur Gewohnheit, dass sich in den meisten Fällen Produktionskomitees bilden, da sich ein Anime-Studio allein von einem Flop nicht mehr erholen könnte. In diesem Fall ist das Studio nur ein Arbeitnehmer und wird entsprechend bezahlt. Sollte der Anime ein Hit werden und das Studio ist nicht Teil des Produktionskomitees, so erhält es jedoch auch keinen Profit.
Disc-Verkäufe am effektivsten
Auch heute noch ist der Verkauf von DVDs und Blu-rays die effektivste Einnahmequelle eines Anime. Das Produktionskomitee hält die Rechte an der Adaption und erhält dementsprechend, sofern keine anderen Vereinbarungen mit dem Schöpfer oder Verlag getroffen wurden, auch den gesamten Erlös.
Für uns mag das Preismodell aus Japan unglaublich überteuert sein. Objektiv betrachtet stimmt das auch, da das durchschnittliche DVD- oder Blu-ray-Volume in Japan 7.000 Yen (etwa 50 Euro) kostet und in der Regel nur 2 bis 4 Episoden enthält. Eine ganze Staffel kann somit schnell mehrere hundert Euro kosten. Auch ihr habt euch zuletzt in den Kommentaren rege über die hohen Kosten beschwert.
Tatsächlich stammt der Preis aus den Anfängen des Videoverleihs. Man betrachtete den Anime-Markt als Nischenmarkt und rechnete nicht mit vielen Verkäufen an Privathaushalte. Deswegen wurden nur einige tausend Volumes produziert und für astronomische Preise an Videotheken verkauft, die trotz des hohen Preises profitierten, da sie eine größere und exklusivere Auswahl anbieten konnten.
Aber man hatte nicht die Otakus auf dem Zettel. Fanatische Fans kauften die Kassetten und Discs ihrer Lieblingsshows, sobald sie veröffentlicht wurden und finanzierten so nahezu das gesamte Budget des Anime. Auch als die Preise für Heimverleih generell sanken, hielt man bis heute an den hohen Preisen fest, weil sie trotzdem fleißig weitergekauft wurden. Es ist für viele Shows die einzige Chance auf Profit.
Internationale Disc-Releases
Im Falle von weltweiten Disc-Releases läuft das System allerdings etwas anders ab. Der internationale Publisher erwirbt die Veröffentlichungsrechte an dem Anime und zahlt dafür einen gewissen Betrag an das Produktionskomitee. Der Betrag variiert natürlich stark je nach Anime, kann in den extremsten Fällen aber pro Episode auch mal mehrere zehntausend Euro betragen.
Im Folgenden entstehen noch weitere Kosten für den internationalen Publisher, wie etwa Video-Edits, andere Anpassungen und Synchronisation. Diese Kosten reichen von wenigen Hundert Euro bei einfachen OmU-Releases bis in den fünfstelligen Bereich bei einer kompletten Vertonung. Der Erlös geht aber, wenn nicht anders vereinbart, komplett in die Tasche des internationalen Publishers.
Dementsprechend kann der internationale Publisher auch die Preise für die jeweiligen Volumes selbst bestimmen, weswegen es bei unterschiedlichen Titeln von unterschiedlichen Publishern manchmal zu ebenso unterschiedlichen Preisen kommen kann. Meist lehnt der Preis aber auch eher auf der teureren Seite, weil es für die Publisher ein Glücksspiel ist, wie der Anime abschneiden wird.
Streaming als neuer Markt
Besonders in den letzten Jahren erlebte der Streaming-Markt einen gewaltigen Boom und die meisten von euch haben sicher eine oder sogar mehrere Mitgliedschaften. Und auch für die Anime-Produktion ergaben sich daraus einige neue Möglichkeiten und natürlich Einkünfte. Hierbei unterscheidet man bei den Streaming-Diensten zwischen Eigenproduktionen, Simulcasts und normalen Katalogtiteln.
Im Falle der Eigenproduktionen fallen jedem von euch sicher gleich die sogenannten Crunchyroll oder Netflix »Originals« ein. Das bedeutet nichts anderes, als dass einer der Streaming-Dienste selbst die Rolle des Auftraggebers übernimmt und das Anime-Studio für die Produktion bezahlt. Meist ist auch das Budget höher, was aber leider trotzdem nicht bis zu den Angestellten durchsickert.
Bei den Simulcasts erhalten die Streaming-Anbieter die jeweilige Episode des Anime meist kurz vor der japanischen Premiere und zahlen für die Ausstrahlungsrechte einen Betrag von wenigen tausend Euro an das Produktionskomitee des Anime. Im Anschluss erstellen sie dann selbst innerhalb kürzester Zeit Untertitel für die OmU-Version oder innerhalb weniger Tage die Vertonung im Falle von SimulDubs.
Am Beispiel Crunchyrolls
Im Falle der Geldverteilung bei Katalogtiteln agiert jeder Streaming-Dienst anders. Crunchyroll-Co-Founder Kun Gao hat jedoch in einem vergangenen Interview erklärt, was mit dem Geld unserer Abonnements passiert und wie Crunchyroll bei der Lizenzierung vorgeht.
Demnach unterhält sich Crunchyroll selbst durch eine Vielzahl anderer Einnahmequellen wie Werbung oder sonstige Produktionen. Die Einnahmen aus Abonnements würden daher nahezu komplett zurück an Japan gehen, unabhängig von der Einstellung neuer Mitarbeiter, Wartung der Server oder anderen Kosten. Und mit diesem Geld wären die Japaner laut Gao »sehr glücklich«.
Die Verteilung der Gelder erklärte Gao wie folgt: »Falls du nur ›Naruto‹ schaust, dann geht das Geld deines Abos komplett an ›Naruto‹. Wenn du mehr als eine Show schaust, dann verteilt sich dein Geld auf diese Shows – und zwar entsprechend wie oft du welche Show geschaut hast.«
Heißt also, wenn ihr 75 % eurer Zeit »Naruto« schaut und 25 % »One Piece«, so wird euer Abo-Beitrag dementsprechend verteilt. Je mehr Anime ihr schaut, desto mehr Produktionen unterstützt ihr.
Sonstiges Merchandise
Dann gibt es noch einige weitere Einnahmequellen für die Produktionskomitees, wie zum Beispiel Werbeverträge mit Restaurants oder anderen Konzernen, aber auch Musik oder Merchandise.
Wie ihr jedes Jahr im AJA-Bericht nachlesen könnt, hat Merchandise einen gewaltigen Einfluss auf den Anime-Markt. Jedoch halten die Rechte an Figuren und dergleichen meist die Originalschöpfer oder Verlage der Vorlage und der Großteil der Einnahmen fließt dementsprechend in deren Taschen. Die Anteile, die letztendlich die Anime-Macher erhalten, liegen meist unter 10 %.
Wie ihr seht, haben es die meisten Anime, die keinen Hype erfahren, schwer, ihre Produktionskosten wieder einzuspielen. Nicht selten dauert es aufgrund der vielfältigen Einnahmequellen sogar Jahre, bis sie grüne Zahlen schreiben – aber besser spät als nie.
Wir hoffen, euch hat unsere Reihe zum Thema »Wie entsteht ein Anime?« gefallen und wir konnten euch das harte Geschäft etwas näherbringen. Wer sich also in Zukunft beschwert, warum ein Anime keine zweite Staffel bekommt, der sollte sich erst einmal an die eigene Nase fassen und überlegen, inwiefern er die Produktion überhaupt unterstützt, damit eine Fortsetzung finanziell realisierbar ist.
©kakifly ・Houbunsha/Sakura High Band
© 逢空万太・ソフトバンク クリエイティブ/名状しがたい製作委員会のようなもの
Sehr schöne letzter Teil. Diese komplette Artikelreihe hat mir sehr gefallen. Den Abschnitt «Internationale Disc-Releases« fand ich besonders interessant. Vielleicht könnte man daraus auch mal eine etwas ausfühlichere Artikelreihe wie diese hier machen. Ich zumindest fände das auch spannend.
Ups, eine Berichtigung: «Sehr schöner letzter Teil. …«
Meiner Meinung nach ein wirklich interessanter Artikel, welcher einen guten Einblick hinter die Kulissen der Anime-Produktion zeigt.
Gerne mehr davon.
Sehr informativer Artikel, bester Teil der Reihe! (Weitere Reihe: ‚ Warum sind die Diskpreise in Deutschland für Animes so hoch?‘ wäre mal gut zu beleuchten)
Meine Überlegungen zum deutschen Diskmarkt:
Zwar kann man noch immer nicht zweifelsfrei sagen, ob hierzulande die Diskpreise wirklich so hoch sein müssen bzw. wie hoch die Marge von einem Publisher bei den Disks wirklich ist, aber viele Faktoren deuten für mich persöhnlich auf zu hohe Preise hin (wo die realen Preise liegen müssten kann man leider nicht wirklich abschätzen).
1. Auch wenn die Preise hier deutlich unter denen aus Japan sind gehe ich davon aus, dass Disc-Verkäufe auch in Deutschland noch immer die effektivste Einnahmequelle sind. Es wird einfach ein hoher Preis angesetzt um nur noch wenige Volumes absetzten zu müssen, bis man seine Kosten ausgelichen hat. Denn meistens kennt man das Risiko wie ein Anime abschneidet ja nicht.
— Die Publisher in Deutschland minimieren das Risiko, dass heißt aber das die Kunden hohe Preise bezahlen!
2. Das heißt aber auch, dass bei Animes wo man schon woher abschätzen kann das diese beliebt sind (besonders bei weiteren Projekten eines beliebten Franchises), man dann zwangsläufig hohe Gewinne macht.
— Meiner Meinung wird immer noch davon ausgegangen, dass Anime eine Nische ist was aber mindestens für die Mainstream-Titel nicht mehr gilt. Durch diese Titel könnten dann Disks allgemein schon leicht billiger sein.
3. Diese auf maximale Sicherheit basierende Praxis war ja bevor es in Deutschland Streaming/Simulcasts gab (also bis ca. 2014) noch einigermaßen erklärbar. Aber Streaming als neuer Markt und mit neuen Einkünfte hat sich seitdem etabliert. Nur die Diskpreise konnten davon irgendwie nicht proftieren, da sie ja billiger werden müssten, da
insgesamt die Einnahmen steigen.
— Auch wenn das zweite Standbein Streaming nun vorhanden ist, senkt man die Preise von den Disks nicht. Durch die Umverteilung von Kosten (z.B. die Synchrokosten auf 50% beim Streaming anrechnen und 50% bei den Disks) müssten die Diskpreise logischerweise ja sinken.
Fazit: Habe den Eindruck, dass man die recht sichere Einnahmenquelle ‚Disks‘ nicht reduzieren möchte. Man belässt die Preise einfach dabei wie sie sind, stattdessen wird man quasi zum Streaming gedrängt wenn man es billig haben möchte. Daher wird sich wohl an den Startpreisen für Disks in Deutschland meiner Meinung nichts ändern, man kann nur abwarten und auf billigere Bundles hoffen bzw. auf gute Sales. Meiner Meinung wäre es jetzt nicht schlimm für die Publisher wenn die Preise für Disks mal um 10-20% sinken würden.
Das war ja mal eine wirklich informative u. erleuchtende Artikelreihe über die Produktion von Anime.
Einen Satz fand ich besonders interssant: »Wer sich also in Zukunft beschwert, warum ein Anime keine zweite Staffel bekommt, […]« Tja, jetzt wissen wir, warum es auch Animes gibt, die nur eine Staffel haben. Auch wenn es sicher Leute gibt, die traurig darüber sind, wenn eine ihrer Lieblingsserien nicht fortgesetzt wird [wie z.B. bei No Game, No Life, wobei ich aber nicht zu den Fans dieser Marke gehöre], kann man doch sagen, dass das verantwortliche Studio es wenigstens versucht hat, mit ihrer Serie ihre Zielgruppe zu erreichen (was im Falle einer Nicht-Fortsetzung entweder misslungen ist o. aber an der Manga bzw- LN-Vorlage liegen könnte, die abgeschlossen ist o. wo der Manga-Autor tot o. im Ruhestand ist, also nichts mehr zeichnet.
Wenn eine Serie weítergeht, die man mag, umso besser. Bei Serien, die man nicht mag, muss man ja nicht gerade 7MAXX einschalten, sondern kann sich auch ein gutes Buch schnappen o. einen Waldspaziergang machen o. mit seinen Freunden ne Runde chillen, aber ich schweife ab.
Euch wünsche ich noch einen besinnlichen Abend. (Wer von Euch Lust hat, einen Anime reinzuziehen, schnappt euch ne DVD/Bluray aus dem Schrank. Ich hingegen werde noch einen Cartoon anschauen. Wer sagt denn, dass alle Kommentarschreiber auf dieser Website nur Animes mögen u. nicht auch Cartoons schauen? 😉 )
Immerwieder Interessant solche Hintergrundartikel. Man erfährt immerwieder was neues.
Übrigens und vllt etwas off topic aber mich würden auch Interviews mit den hiesigen Publishern interessieren zum deutschen Markt. Gerne auch wiederkehrend alle 1 – 2 Jahre.
Spannend, das mal aus einem anderen Winkel zu betrachten als nur das Endprodukt zu schauen.
In dem Bericht steckte mit Sicherheit viel Arbeit drin, der Aufwand hat sich für uns Leser aber völlig gelohnt. Vielen Dank dafür!
Mich würde dabei noch interressieren, welchen Einfluss die internationalen Publisher mittlerweile haben? Kann mir schwer vorstellen, das Cruchyroll etc. rein garnichts zu sagen haben und nur am Ende auf die Lizens bieten…