Anime-Synchronsprecher warnt Neulinge vor der Branche

Nachdem wir erst vor Kurzem über die Ausbeutung von Anime-Synchronsprechern in Japan aufgeklärt haben, warnte ein Branchenvertreter im Gespräch mit der Website »Toyo Keizai« alle Neulinge vor diesem Job und nannte auch direkt einige Zahlen zur Stellen-Bewerber-Relation.

Boom bei den Synchronsprechern

Fundierte Daten liefert uns der japanische Arbeitsmarkt bedauerlicherweise nicht, allerdings können wir als Grundlage ein Interview des überaus bekannten Synchronsprechers Akio Ootsuka (Rider in »Fate/Zero«), der Anime-Charakteren bereits seit fast 35 Jahren seine Stimme leiht, heranziehen. Ihm zufolge erlebte das Synchronsprecher-Geschäft in den letzten 10 Jahren einen gewaltigen Boom.

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Er könne sich diesen Boom nur mit der Naivität der Bewerber erklären: »Junge Synchronsprecher sind absolut blauäugig. Sie denken wirklich, sie hätten jetzt einen Job, aber es kann von Grund auf nicht mit dem eines Arztes, Konditors oder gar Angestellten verglichen werden. Die ersten Jahre muss man sich mit mehreren Nebenjobs über Wasser halten. Es gibt kein stetiges Einkommen.

Überlegt euch das gut. Man bekommt nicht automatisch eine Rolle, nur weil man Synchronsprecher ist. So ergeht es 90 % der Leute, die sich offiziell als Synchronsprecher bezeichnen können. Man hat keine sonstigen Qualifikationen und kann nur vorweisen, dass man XY in XYZ gesprochen hat.«

Überangebot an Synchronsprechern

Im weiteren Verlauf des Interviews erklärte Ootsuka, dass die Zahl der Anime pro Season seit den 2000ern stark angestiegen wäre, aber dennoch in keinem Verhältnis zu den Bewerbern stehe:

»Im Moment gibt es im Schnitt für 300 Sprecherrollen etwa 10.000 Bewerber. Deswegen bekommt man als Synchronsprecher nur schwer eine Rolle, weswegen einige wie bereits erwähnt Nebenjobs haben. Viele hielten das für ein Gerücht, aber es ist die Wahrheit. Ich selbst habe bis ich 30 Jahre alt war nebenbei als Tiefbauer gearbeitet. Und ich persönlich würde behaupten, dass das schnell war.

In unserem Job können wir nur auf Arbeit warten. Wir brauchen ein Video oder ein Bild und dazu ein Skript, aus dem wir vorlesen. Und wir müssen uns gegen die Konkurrenz durchsetzen. Aber selbst das können wir nicht beeinflussen und kann auch nur als ›Warten‹ bezeichnet werden. Wir sind wie Produkte, die in Regalen ausgestellt sind und darauf warten, ausgewählt zu werden.

Die Zeit ohne Arbeit sollte man aber nicht untätig verbringen, sondern weiter an seinen Fähigkeiten arbeiten. Aber auch das kostet wieder Geld und es mag am Ende nutzlos sein. Darum lasst es mich noch ein letztes Mal sagen. Trefft keine leichtfertige Entscheidung und überlegt es euch gut. Wenn ihr nicht aus einem wohlhabenden Haus stammt, haltet euch fern von diesem Job.«

Letztendlich bestätigt dieses Interview die Vermutung unseres letzten Artikels, dass Synchronsprecher aufgrund des großen Konkurrenzdrucks keine Möglichkeit haben, über ihr Gehalt zu verhandeln und sich dem sogenannten »Seiyuu Ranking« fügen müssen. Sie sind dazu gezwungen, das Angebot anzunehmen, sonst wird die Rolle einfach an einen der unzähligen Mitbewerber vergeben.

Via toyokeizai.net
© Girlish Number Production Committee

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Kommentare

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13 Kommentare und Antworten zu "Anime-Synchronsprecher warnt Neulinge vor der Branche"

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Bloodx
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Bloodx

Sehr ehrliches und trotzdem freundlich formuliertes Interview.

flomba
Gast
flomba

Ein weiser Mann.
Bevor jetzt die Entrüstungswelle hochschwappt, wer sich dafür interessiert, wußte das schon länger, auch die Relationen der Zahlen. Wenn man Serien wie Shirobako oder sogar Pet Girl mit offenen Augen gesehen hat, war das ohnehin deutlich.

XYZ
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XYZ

So etwas nennt man Marktwirtschaft, Angebote und Nachfrage bestimmen den Preis bzw. Lohn.

Hier kommen immer wieder die gleichen empörten Reaktionen, wenn ein Artikel veröffentlicht wird, wahrscheinlich auch hierzu. Scheinbar gibt es bei vielen Menschen den kleinen Kommunisten im Kopf!
Doch, was würde passieren, wenn man Mindestlohn etc. schnell mal einführt, wie es immer in Schnappatmung und Schaum vorm Mund gefordert wird. Es würde dann noch mehr Bewerber geben…
Es gibt nun mal Branchen wie das Musikbusiness, die Schauspielerei, Synchronisation, Animation usw., wo lediglich unter 0,1 % Erfolg haben werden, einen guten Lohn verdienen, weil es eine enorme Konkurrenz gibt.

Wie sieht die Lösung aus. Zunächst einmal, es gibt sie nicht! Jedoch kann man, wie es von dem Synchronsprecher im Artikel versucht wird, die Menschen warnen, wachrütteln.
Es fängt im Elternhaus mit einer ordentlichen Erziehung an. Man muss nur mal in einer der vielen Trash Shows kurz reinschalten. Oftmals unterstützen die Eltern ihre Kinder, geben ihnen Hoffnung auf eine Gesangskarriere usw. Allerdings sollte Kindern vielmehr beigebracht werden, dass sie eine Ausbildung oder Studium machen müssen, einen normalen Job nachgehen. Nebenbei können sie als Hobby dann ihr Glück versuchen. Falls sie Erfolg haben, können sie ihren regulären Beruf jederzeit beenden, oder auch wieder einsteigen, wenn der Erfolg wieder vorbei ist.

Ryūtei
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Ryūtei

Ich denke nicht, dass es etwas mit Kommunismus zu tun hat, wenn man der Meinung ist, dass niemand mit abgeschlossener Ausbildung und Vollzeitjob unter der Armutsgrenze leben müssen sollte, nur weil sein Job hoffnungslos unterbezahlt ist. Ebenso wenig ist es kommunistisch, zu erwarten, dass die Bezahlung primär anhand der Art und des Umfangs der jeweils geleisteten Arbeit erfolgen sollte, und nicht pauschal nach Alter und Berufserfahrung, vor allem nicht, wenn man sich kollektiv mit souveränem Stolz einredet, eine „Leistungsgesellschaft“ zu sein, in der Arbeit über allem steht, und sich mächtig etwas darauf einbildet.

Marktwirtschaft hieße übrigens auch, dass man als Arbeitgeber unattraktive Berufe, die dennoch gebraucht werden (z.B. Putzdienst, Einzelhandel, Pflege), eben attraktiver machen müsste, um mehr Leute anzulocken (bessere Arbeitsbedingungen und/oder höhere Löhne), und nicht, dass man wie jetzt Leute (mit staatlicher Unterstützung) systematisch in die Armut zwingt, damit sie diese prekären Jobs machen, die niemand freiwillig machen will, unter Bedingungen, unter denen niemand freiwillig arbeiten würde, um überhaupt ein Einkommen zu haben. Bei den Seiyū sähe die Umsetzung so aus, dass man unattraktive Arbeiten (z.B. Hentai) eben besser entlohnte, um Leute dafür zu gewinnen, und nicht, dass man die Seiyū systematisch so schlecht bezahlt, dass sie schon deshalb keine andere Wahl haben, als jeden Job anzunehmen, den sie bekommen können – die viel zu große Konkurrenz bei einem viel zu geringen Jobangebot noch nicht berücksichtigt.

Das grundsätzliche Problem der enormen Konkurrenz wird man damit nicht lösen, da muss schon vorab – das hast du ganz richtig erkannt – durch die Eltern und Schulen Aufklärung erfolgen – auch etwas, woran es nach meiner Beobachtung extrem mangelt. Aber man muss so eine Situation auch nicht ausnutzen, und genau das tut die Branche aber; deswegen ist sie selbst auch eher wenig daran interessiert, ihre Verhältnisse transparent offenzulegen, potentielle Anwärter abzuschrecken und damit den Nachschub an Leuten zum Verheizen zu reduzieren.

XYZ
Gast
XYZ

Die Unterhaltungsindustrie kann man nicht so einfach mit anderen Branchen vergleichen. Dort kommt es gerade auf Talent an. Hinzu kommt, dass man nicht unbedingt eine Ausbildung oder Studium braucht. Dadurch werden sehr viele Menschen angezogen. Immerhin liegt Selbstüberschätzung in der menschlichen Natur, bestärkt nochmal oft durch die Eltern und Freunde. Bildung allein hat auch nicht viel damit zu tun. Es gibt genügend Kinder aus wohlhabenden Haus, die unterstützt von der Eltern trotzdem davon träumen, beispielsweise Sänger/in zu werden.

Was ich mit meinem Kommentar ausdrücken wollte, war schlicht, dass ein Mindestlohn nicht die Lösung ist, wie es immer von vielen Menschen reflexartig gefordert wird. Der kleine Kommunist, der glaubt, der Staat regelt es einfach umfassend, ist menschlich zwar verständlich, aber praktisch nicht erfolgreich umsetzbar. Die Wirtschaft ist kompliziert.
Man muss es dem Markt überlassen, der Staat setzt nur die Rahmenbedingungen. Es fängt bei der Bildung an. Zudem muss es mehr Aufklärung an Schulen geben, um die Luftschlösser vieler Kinder rechtzeitig zu zerplatzen. Jedoch kann man damit nicht das grundsätzliche Problem beseitigen, die Eltern, die oft glauben, ihr Kind sei der geborene Star.

Vielleicht sollte man beispielsweise für einen Job in der Unterhaltungsindustrie einführen, dass die Bewerber eine abgeschlossene Berufsausbildung oder Studium in einer anderen Branche nachweisen müssen? So könnte man vielleicht verhindern, dass sie nur Nebenjobs mit niedriger Bezahlung nachgehen, während sie von ihrem Durchbruch als Synchronsprecher etc. träumen…
Wenn das Angebot sinkt, die Nachfrage bleibt oder sogar steigt, steigen die Preise bzw. Löhne. Wenn die meisten Bewerber einen ordentlichen Verdienst in einer anderen Branche haben, wird die Bereitschaft sinken, für jeden Lohn zu arbeiten, die Lohnuntergrenze steigen, wo man bereit ist, einen Job als Synchronsprecher etc. anzunehmen. Wenn man beispielsweise Familie hat, ist Zeit kostbar. Da überlegt man sich zweimal, ob man seine Freizeit mit den Kindern für eine schlecht bezahlte Rolle opfert, wenn man schon einen gut bezahlten regulären Beruf nachgeht. Was man in der Unterhaltungsindustrie auch nicht vergessen darf. Nur ein Bruchteil der Bewerber ist überhaupt geeignet, nicht jeder hat das Talent, die Stimme, etc. dafür. Wer weiß also, wie es dort aktuell aussieht. Man wird es uns wohl kaum verraten. Vielleicht gibt es auch nur ein Verhältnis 1 zu 5 bei den offenen Stellen zu brauchbaren Bewerbern? Bei entsprechenden Maßnahmen kann es schon in einigen Jahren nur noch 1 zu 2 oder 3 sein…und dann steigen zwangsläufig die Löhne.

Das Gleiche gilt ebenso für die Arbeitsbedingungen. Um so weniger brauchbare Bewerber es gibt, um so mehr können sie bei den Arbeitsbedingungen durchsetzen. Dieses Phänomen kann ich aktuell in meinem Umfeld bei den Pflegeberufen beobachten. Es gibt zwischen den Krankenhäusern einen großen Konkurrenzkampf um gut ausgebildete Pflegekräfte.

Schlussendlich ist auch die Mentalität der Japaner ein Problem. Beispielsweise ausländische Animatoren verdienen in Japan deutlich mehr. Ich glaube, es gab hier sogar mal ein Artikel dazu?!

Ich
Gast
Ich

Es ist ja schon bezeichnend wenn jemand aus der Branche rät, dass man gut nachdenken soll, bevor man diesen Beruf ergreift. Ich finde es aber schön, dass der Herr so ehrlich damit umgeht und das auch sagt. Das macht dann klar worauf man sich einlässt.

Hiyori
Gast
Hiyori

Noch wichtig zu erwähnen wäre welchen Lebensstandard man anstrebt, manche sind mit 1.000€ vollkommen glücklich, andere nur mit mehreren Tausend, manche wollen viel Freizeit und weniger Arbeit andere wiederum das Gegenteil.

Sprich den Traum von einem Synchronsprecher sollte man auch nicht leichtfertig aufgeben, spricht doch nichts dagegen noch einen Nebenjob zu haben, dann kann man die Sache auch viel gelassener angehen🤷‍♂️

Dieses »entweder oder« ist altes Denken🤷‍♂️

Bloodx
Gast
Bloodx

Wenn du den erwähnten »letzten Artikel« aus der News beachtest weißt du um wie viel Geld gesprochen wird und auch über welche Zeit mann dieses Geld zu erwarten hat.

Ryūtei
Gast
Ryūtei

Ein sehr ehrliches Interview, dessen Bedeutung noch dadurch gestärkt wird, dass die Aussagen von jemandem kommen, der innerhalb der Branche selbst ein Veteran und eine der bekanntesten Größen überhaupt ist. Wenn hier jemand weiß, wovon er redet, dann Herr Ōtsuka. Fakt am Rande: Bei ihm selbst dürfte ein wesentlicher Faktor, der zu seiner damaligen Entscheidung (und vermutlich – nur Spekulation meinerseits – auch zum Verlauf seiner Karriere) beigetragen hat, der Umstand gewesen sein, dass bereits sein Vater Chikao Ōtsuka umfangreich in dem Geschäft tätig war (m.E. seine Paraderolle: Dr. Eggman in den Sonic-Spielen). Das ist übrigens auch einer der häufigsten Wege in Deutschland, in das Synchrongeschäft einzusteigen, dass die Eltern ebenfalls als (Synchron-)Schauspieler tätig sind und man oft schon als Kind anfängt, weil Kinderstimmen immer gefragt sind.

Ich denke, ein wesentliches Problem ist hier, dass üblicherweise niemand den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, frisch volljährig und aus der Schule kommend, ehrlich vermittelt, wie es hinter den Kulissen wirklich zugeht, wie knallhart schon bei der Ausbildung, spätestens aber im Beruf aussortiert wird und wie skrupellos die Produktionsfirmen das gewaltige Überangebot an Bewerberinnen und Bewerbern ausnutzen, um die Seiyū bis ins Mark auszubeuten. Und in dem Alter träumen natürlich viele von einem Job, der ihnen Ruhm und Anerkennung beschert und den sie selbst bewundern – woher sollen sie es auch besser wissen, wenn es ihnen niemand sagt? Mit den Idols ist es ja genau dasselbe Spiel, bis auf den Umstand, dass diese bereits als Minderjährige regulär anfangen, was diese Branche noch einmal brisanter macht.

Insofern ist es umso wichtiger, dass Brancheninsider wie Akio Ōtsuka öffentlichkeitswirksam den Mund aufmachen und vor der harten Realität warnen. Ich habe mich selbst vor einigen Jahren bewusst (zumindest vorerst) gegen so eine Karriere entschieden, eben weil es hier genug bekannte und respektierte Leute aus dem Synchrongeschäft gibt, die vor den speziell für Berufseinsteiger immer prekärer gewordenen Arbeitsbedingungen warnen.

Toshi
Gast
Toshi

früher haben schauspieler auch gekellnert bzw machen sicher einige noch heute die nicht ganz so erfolgreich sind, ich denke neben dem geld darf man nicht vergessen das es auh leute gibt die für ihren beruf BRENNEN, heißt das ihre augen schön glänzen nur wenn sie da von reden und mit leib und seele alles rein stecken was sie haben.

natürlich kann man scheitern, aber ich denke egal in welchen beruf gibt es leute die kämpfen und am ende mit etwas glück genau dahin kommen wo sie hin wollen, aber um das irgendwan zu erreichen muss man vielleicht auch bereit sein zu bluten und ein sehr steinigen weg zu gehn.

BLUEANGEL X
Gast
BLUEANGEL X

Kult sprecher und seine besten Deutschen sprecher waren Ingo Albrecht von (Fate/Zero) und Tobias Brecklinghaus von (Tales of Symphonia) meiner meinung nach.

alterfalter
Gast
alterfalter

Schön das mal jemand der aktiv ist, die Leute aufklärt wie das Geschäft läuft.

Das deckt sich mit dem was in großen teilen der Unterhaltungsindustrie und Medien allgemein abgeht. Egal ob nun als Synchronsprecher, Schauspieler, Animator aber auch bei Reportern, Journalisten, Sängern usw. Übrigens zieht sich das Problem schon seit langen hin, das liegt halt auch daran das das Angebot an Leuten zu groß ist.

Harrison Ford hat, bevor mit Star Wars und Indianer Johns erfolgreich geworden ist, auch als Schreiner gearbeitet. Wobei er dabei zum Teil aber auch die Filmsets gebaut hat. Dadurch hatte er ein sicheres Einkommen und musste nicht jeden Schrottjob annehmen.

Meine Schwägerin hat auch etwas mit Medien studiert und war auch kurzzeitig Radiosprecherin, doch wenn man sich da richtig etablieren will muss man Jahrelang Praktika machen, natürlich unbezahlt. Dazu darf man auch noch das Sprechtraining aus der eigenen Tasche bezahlen.
Jetzt macht sie die Öffentlichkeitsarbeit bei der örtlichen Messe.

Wer seinen Traum leben will und nach Erfolg strebt, soll das auch bitte schön versuchen, aber habt bitte einen Plan B, wie einen sicheren Beruf. Denn muss man auch nicht jeden Misst mitmachen.

Veoh
Gast
Veoh

Das ist ja genau wie in Korea mit den K-pop Idolen.

Man ist nur ein Werkzeug was von der Indutrie ausgenutzt wird.
Funktioniert man nicht, schwächelt oder geht man »kaputt«, wird man ausgetaucht wie win abgefahrener oder geplatzen Reifen…